Fast-Fashion: Wie lässt sich die neuste Mode mit Nachhaltigkeit vereinen?

Mode ist in unserer heutigen Gesellschaft – vor allem unter Jugendlichen – zu etwas Grundlegendem geworden. Unsere Kleiderschränke lagern mehr T-Shirts als wir tatsächlich brauchen beziehungsweise überhaupt irgendwann tragen, sie zeigt wie „trendy“ wir sind und soll angeblich auch so Einiges über den Charakter einer Person verraten. In kaum einer anderen Branche zeigt sich das schnelllebige, verschwenderische Konsumverhalten der westlichen Gesellschaft so eindeutig. Mode verändert sich jedes Jahr (ansonsten wäre es ja gar keine) und eine unsichtbare Kraft bringt einen großen Teil unserer Gesellschaft dazu, diesen Trend mitzumachen – kurz gesagt: Die knallblaue Hose aus dem letzten Jahr muss weg und wird durch eine knallrote ersetzt, welche nächstes Jahr womöglich ebenfalls in die Altkleider-Sammlung fliegen wird oder eben im Kleiderschrank liegen bleibt. Ich rede von einem „großen Teil unserer Gesellschaft“, da ich mir durchaus bewusst bin, dass nicht jeder in unserer Kultur sich dem Gesetz der Mode unterwirft, dennoch ist dieser Teil so groß, dass durch sein Verhalten neue Unternehmensideologien wie die von H&M & co. den Fashion-Markt an sich gerissen haben und heutzutage klar dominieren.

Damit jeder mit der Mode gehen kann und sich somit jedes Jahr eine Ladung an neuen T-Shirts leisten kann, muss der Preis dementsprechend gering sein. Ein geringer Preis lässt sich jedoch schlecht mit hoher Qualität vereinen, weshalb diese eben niedriger ausfallen muss, was den Käufer aber sowieso nicht allzu große Sorgen bereiten muss, da das T-Shirt nicht mehr 3 Jahr halten soll – nach einem Jahr kann beziehungsweise wird es ja wieder durch ein neues ersetzt. Eine einfache Rechnung, die H&M 2012 umgerechnet 3,5 Milliarden Euro Nettoumsatz allein in Deutschland bescherte, womit H&M hinter OTTO den zweitgrößten Umsatz in Deutschlands Textilbranche erzielt. Weltweit macht die Textilindustrie ungefähr einen Umsatz von drei Billionen Dollar Umsatz jährlich.

Länder, in denen Kinder- oder Zwangsarbeit zur Herstellung verschiedener Modegüter betrieben wird
Länder, in denen Kinder- oder Zwangsarbeit zur Herstellung verschiedener Modegüter betrieben wird (Screenshot von der Seite http://www.productsofslavery.org, 24.01.16)

An diesem Geschäftsmodell ist an sich nichts zu kritisieren, wenn das T-Shirt seinen niedrigen Preis alleine durch geschickte Verhandlungen und billiges Material erhalten würde. In der Regel werden die billigen Klamotten, die in der westlichen Welt massenhaft gekauft werden, jedoch in Ländern wie Bangladesch hergestellt, wo Arbeiter unter (fast) unmenschlichen Bedingungen arbeiten. 2013 wurde die Welt durch einen Einsturz einer Fabrik in Bangladesh, der mehr als 1000 Menschenleben forderte, auf diese Umstände aufmerksam. Es folgte eine zunehmende Diskussion über die katastrophalen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung der Arbeiter und Umweltverschmutzung. Mit der Gründung von Organisationen wie der Allience for Bangladesh worker safety reagierte die Industrie auf das Ereignis, doch von einer grundlegenden Besserung der Lage kann nicht die Rede sein.

Weltkarte mit Ländern, in denen Zwangs- oder Kinderarbeit betrieben wird, um Baumwolle zu pflücken
Weltkarte mit Ländern, in denen Zwangs- oder Kinderarbeit betrieben wird, um Baumwolle zu pflücken (Screenshot von der Seite http://www.productsofslavery.org, 24.01.16)

Sowohl auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene sind die Umstände in den Herstellungsländern unserer Kleider mangelhaft. Vereinbarungen zu Brand- und Gebäudesicherheit, die es zusätzlich als Antwort auf den Einsturz der Fabrik gab, bilden hier lediglich einen kleinen Anfang.

Bangladesch ist hierbei lange nicht das einzige Land in dem Waren durch Zwangs- und Kinderarbeit billig hergestellt werden. Die Website Products of Slavery zeigt anschaulich mit einigen zusätzlichen Details, in welchen Ländern immer noch Kinder- und Zwangsarbeit zur Herstellung verschiedener Güter betrieben wird. Neben Bangladesh tauchen hier viele asiatische und südamerikanische Länder auf. Das Problem ist nicht ausschließlich eines der dritten Welt, da auch Länder wie China davon betroffen sind.

Dass Nachhaltigkeit als Business-Strategie in den letzten Jahren jedoch zunehmend in Mode kam, hat auch H&M nicht verpasst. Mit der H&M Conscious Foundation gründete H&M eine eigenständige Organisation, die dabei helfen soll, dem schwedischen Modekonzern eine neue Seite zu verleihen. H&M CEO Karl-Johan Persson erklärt das neue Geschäftsmodell so:

At H&M, we have set ourselves the challenge of ultimately making fashion sustainable and sustainability fashionable.We want to help people express their personality and feel proud of what they wear. I’m very excited to see the progress we’ve made so far and how this will help us to make you an even better offer – and create a more sustainable fashion future.
(Quelle)

Die Nachhaltigkeits-Abteilung von H&M konzentriert sich dabei auf die Förderung von Bildung, sauberem Wasser und Frauenrechten. Des Weiteren sollen Partnerschaften mit WWF und UNICEF für das Einhalten verschiedener weiterer Kriterien, wie auch akzeptable Arbeitsbedingungen, Verbot von Kinderarbeit und Umweltschutz garantieren. Sollte H&M ihren Ansprüchen, die in Zukunft noch höher ausfallen sollen, auf Dauer tatsächlich gerecht werden, hätte das natürlich eine enorme Auswirkung auf die gesamte Textilbranche. Durch die Größe H&Ms und seine dominierende Rolle in der Textilindustrie hätten dabei schon kleine Veränderungen einen vergleichsweise großen Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung von Länder wie Bangladesch.

In den Filialen nehmen die H&M Conscious Produkte jedoch bisher einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtangebots ein. Die Conscious Kleiderständer, die mit einem grünen Schild mit der Aufschrift Bio-Baumwolle werben, scheinen sich noch nicht allzu sehr durchzusetzen und auch im Online-Shop von H&M sind lediglich 21 von 646 Männerartikel mit „Conscious“ gekennzeichnet. Auffallend ist hierbei der Preis, der sich fast nicht von anderen vergleichbaren Produkten unterscheidet.

Um als Käufer ausbeutende Unternehmen zu meiden, gibt es inzwischen Plug-Ins wie AVOID, die Onlinewerbung für Produkte, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden, ausblendet. Des Weiteren gilt es aus Verkäufersicht, durch sein Konsumverhalten bezüglich Mode, Großkonzernen das Zeichen zu geben, dass sich die Nachhaltigkeit-Strategie lohnt. Dabei eignen sich natürlich Bio-Läden, deren Preise allerdings in der Regel teurer sind. Textil-Großkonzerne werden dadurch allerdings gezwungen, in Sachen Nachhaltigkeit konkurrenzfähig zu werden, sie werden jedoch aufgrund ihrer Größe weiterhin die Möglichkeit haben, Preise deutlich niedriger zu halten. Damit wäre Nachhaltigkeit und Fast Fashion in den Herstellungsländern wieder vereinbar – wenn auch auf einem etwas höheren Preisniveau als heute. Auf Käuferseite lässt sich das verschwenderische Konsumverhalten selbstverständlich nicht nachhaltig nennen.

Allerdings ist es sicherlich kein Fehler schon jetzt solche Nachhaltigkeits-Kampagnen zu unterstützen, wenn auch noch keine grundlegenden Veränderungen damit erzielt werden. Großkonzerne wie H&M dominieren die Textilindustrie nun einmal und ein Sturz dieser Führungsrolle ist meiner Meinung nach unwahrscheinlicher als das Erzielen eines Umdenkens in der Textilbranche. Überhaupt mit der Gründung von Nachhaltigkeitsabteilungen und -produkten befindet sich H&M auf einem richtigen Weg. Zudem ist der Einfluss von Großkonzernen im Gegensatz zu lokalen, kleinerem Unternehmen auf die Wirtschaft der Herstellungsländer zu beachten: Sollte H&M diesen Weg in die Nachhaltigkeit tatsächlich gehen, würde die Wirtschaft der oben genannten Länder – aufgrund der dominierenden Rolle der Textil-Großkonzerne dort – diesen Weg mitgehen.

 

 

2 thoughts on “Fast-Fashion: Wie lässt sich die neuste Mode mit Nachhaltigkeit vereinen?

  1. Anna says:

    Hallo ju.feu,
    ich finde diesen Eintrag gut geschrieben. Positive Entwicklungen benannt, aber vor Euphorie gewarnt. Du hast herausgestellt, dass es ein langer Weg mit vielen kleinen Schritten werden wird, bis unsere Kleidung, in der breiten Masse, nachhaltiger produziert werden wird.
    Doch dann hat mich der letzte Satz des vorletzen Absatzes fast geschockt „damit wäre Nachhaltigkeit und Fast-Fashion wieder vereinbar“. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Ich denke nicht, dass es nachhaltig ist zuviele T-Shirts im Schrank zu lagern – auch nicht, wenn diese aus Bio sind! Ist eine schlechte Zensur besser, wenn sie in grün statt in rot unter der Arbeit steht?
    Warum sollte es erstrebenswert sein, T-Shirts für den Schrank zu kaufen? Das ist rausgeschmissenes Geld. Dieses Geld muss erstmal erarbeitet werden. Beim Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro also ca 1 Std. Liegt einfach so im Schrank rum. Dafür könnte man sich die Bio-Lebensmittel kaufen, die man sich sonst nicht leisten könnte.
    Kennst Du den Begriff „Fashion Victim“? Hast Du Dir das schon mal übersetzt? Ich kann nicht nachvollziehen, warum jmd. freiwillig ein Opfer sein möchte. Das heißt doch, dass jmd. anderer Macht über einen hat und ist weit entfernt von eigenen Entscheidungen.

    Wie gesagt, ich finde Deinen Post gut, aber dieser Satz zieht meine ganze Aufmerksamkeit auf sich und der Rest fällt einfach hinten runter.
    Ich finde es auch interessant, wie unterschiedlich die Erkenntnisse/Schlussfolgerungen zu sein scheinen. Im Post „Konsum von Kaffee und Jeans“ wird zu mehr Bewußtsein und zur Sparsamkeit aufgerufen. Also das, was ich in Deiner Einleitung lese….

    • ju.feu says:

      Hallo Anna,
      vielen Dank für den Kommentar!
      Mit deiner Kritik hast du natürlich völlig recht. Aus Sicht der Konsumenten ist der Begriff Nachhaltigkeit hier ganz und gar nicht der richtige. Das Problem ist, dass es im Zusammenhang mit „Fast-Fashion“ zwei Punkte gibt, die nicht nachhaltig sind: Einmal das verschwenderische Kaufverhalten der Konsumenten, worauf du dich bezogen hast, aber eben auch die Ausbeutung der Arbeitskräfte, von denen die Kleidung unter miserablen Umständen hergestellt wird, beziehungsweise die Ausbeutung ganzer Länder, da deren Umwelt letztlich zerstört wird und die schlechte bzw. unentwickelte Wirtschaft der Länder für eine möglichst billige Herstellung ausgenutzt wird. Mit diesem von dir kritisierten Satz wollte ich mich auf den ökonomischen, ökologischen und auch sozialen Faktor der Nachhaltigkeit in den *Herstellungsländern* beziehen, denn diese könnten tatsächlich davon profitieren, wenn das Geschäftsmodell „Nachhaltigkeit“ (wieder nur bezogen auf die Herstellung der Produkte) für Großkonzerne attraktiv wird. Angenommen die Ideologie der „Conscious-Kampagne“ von H&M würde sich tatsächlich durchsetzen und alle genannten Punkte würden – so wie sie dem Kunden verkauft werden – umgesetzt und schließlich zur Normalität in der Modebranche werden. Die Herstellungsländer würden durch den enormen Einfluss der westlichen Großkonzerne davon stark profitieren, da die Wirtschaft dieser Länder von den Tätigkeiten der Mode-Unternehmen abhängig ist.
      Doch dafür ist allein der Begriff „Nachhaltigkeit“ natürlich viel zu umfassend und allgemein.
      Ich werde versuchen, das auch in dem Blogpost deutlich zu machen.

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