Blutiger Kampf um den Urwald in Lateinamerika

Wenn wir von Indianern oder Eingeborenen sprechen, haben wir normalerweise das Bild von friedlichen, kunstvoll bemalten Menschen  vor Augen, die im Einklang mit der Natur leben. Allerdings ist dieses idealisierte Bild eines „Tarzans“ eine Illusion. Denn die Ureinwohner sind fähig, zu töten und können für Eindringlinge aus der Außenwelt sehr gefährlich sein. Das Leben im vermeintlichen Paradies fernab unserer modernen Zivilisation ist höchst entbehrungsreich und bedrohlich – und keinesfalls paradiesisch.

Die indigenen Völker Lateinamerikas, die ursprünglichen Bewohner des Kontinents, machen heute etwa zehn Prozent seiner Bevölkerung aus. Sie leben vor allem in Mexiko, Guatemala, Ecuador, Peru und Bolivien. Dort leben teilweise Stämme, die noch nie Kontakt zur Außenwelt hatten und ein völlig anderes Leben führen als der Rest der Welt. Von Globalisierung und technischem Fortschritt ist bei ihnen nichts zu spüren. Doch die indigenen Gruppen tauchen immer häufiger aus dem Urwald auf und kontaktieren die umliegenden Dörfer. Nur selten wird ein solcher erster Kontakt mit der Kamera aufgenommen.

Der Film Das Ende von Eden enthält solches Bildmaterial und beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Dokumentation geht der Frage nach, warum die Ureinwohner des Sapanahua-Stammes im Jahr 2014 den Kontakt zur Zivilisation aufgenommen haben. Die Filmemacher reisen in die Nähe des Dorfes Simpatia am Oberlauf des Amazonas, wo auch der erste Kontakt mit den Indigenen gefilmt wurde. Die Journalisten wurden zum Beispiel damit konfrontiert, dass die einheimischen Völker kein „Dein“ und „Mein“ kennen. Die Eingeborenen versuchten Kleidung und Sonstiges zu stehlen, weil die für sie ungewöhnlichen Gegenstände ihnen gefallen hatten. Dabei kann dieser Diebstahl für die sie tödlich enden. Denn die Kleidung enthält Bakterien, gegen die die Ureinwohner nicht resistent sind und an denen sie schlimmstenfalls sterben können. Die gegenseitige Ansteckungsgefahr ist sehr hoch.

Aber warum sind denn nun die indigenen Stämme auf der Flucht? Sie werden doch von der Regierung in Ruhe gelassen. Die Kolonialisierung ist immerhin 500 Jahre her. Dafür verantwortlich sind illegale Holzfäller oder Coca-Bauern. Sie vertreiben die Stämme und das endet nicht selten für beide Seiten tödlich. Selbst für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder für Personen, die im Auftrag der Regierung den Einheimischen helfen wollen, ist der Ausflug in den Urwald gefährlich. Die indigenen Völker sind aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Weißen sehr misstrauisch. Treffen die beiden Welten aufeinander, ist die Situation sehr angespannt und kann schnell eskalieren.

Das Misstrauen der indigenen Völker rührt von ihren schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Früher wurden die Ureinwohner ausgebeutet und versklavt. Brutale Gummibaum-Plantagenbesitzer zwangen sie zu harter Arbeit. Die Indigenen lebten damals in menschenunwürdigen Zuständen und wurden von den Eindringlingen der Außenwelt misshandelt. Hat sich ein einzelner Ureinwohner gewehrt, wurde er von ihnen getötet.

Noch heute haben die Völker mit der Verfolgung und Ausbeutung zu kämpfen. Auf dem Papier werden ihnen zwar Rechte zugesprochen, aber die Toleranz gegenüber den ursprünglichen Bewohner des Kontinents hält sich in Grenzen. Auch eskalierte Vorfälle in den Urwäldern zwischen Indigenen und „Zivilisten“ sind keine Seltenheit. Es kommt immer wieder zu Todesfällen und schweren Verletzungen bei den nahezu kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Einwohner verteidigen sich und greifen dabei auch zu ihren Waffen, wobei sich die andere Partei wiederum verteidigt und zu moderneren Hilfsmitteln greift.

Trotz allem dürfen wir die einheimischen Völker nicht nur als bedrohliche Wilde ansehen und alle Indigenen in einen Topf werfen. Man sollte sie nicht unterschätzen, aber auch nicht unserem idealisierten Bild vertrauen, welches nicht die Komplexität der Konflikte widerspiegelt.

Hilfsorganisationen versuchen zwar Hilfe zu leisten. Jedoch ist es aufgrund des herrschenden Misstrauens schwer ihnen zu helfen, wenn der Staat sie nicht vor illegalen Holzfällern oder Coca-Bauern schützt.  Es besteht also Handlungsbedarf seitens des Staates, um die Rechte der Einheimischen durchzusetzen.

 

zusätzliche Quelle: Artikel von Heidi Feldt „Baustein 7 – Indigene Völker: Zwischen Diskriminierung und Emanzipation“ aus dem Projekt von Hans-Georg Lambertz: „Lateinamerika verstehen lernen“, zwölf Bausteine für den Unterricht, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2011, S.173 – 194

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