Krieg auf den Hügeln Rios

Rio de Janeiro ist Brasiliens Hauptstadt und einer der beliebtesten Reiseziele in ganz Südamerika. Sehenswürdigkeiten wie die Jesus Statue sind weltbekannt und Touristikzentren werben mit traumhaften Stränden. Trotz alledem ist nicht alles Gold, was glänzt. Rio de Janeiro hat ein großes Problem: Die sechs Millionen-Stadt ist in die wohlhabende Süd- und ärmliche Nordstadt geteilt. Die Armenviertel nennt man Favelas, welche sich auf den Hügeln um die Großstadt befinden. Etwa 750 verschiedene Favelas gibt es insgesamt. In ihnen wohnen circa 1,3 Millionen Menschen. Somit wohnt jeder fünfte Carioca (Einwohner von Rio de Janeiro) in einem Armenviertel.

Die Favelas entstanden, weil sich in den letzten 100 Jahren viele Anwohner ländlicher Gebiete auf städtischem Grund ansiedelten. Vor allem in den 60er Jahren zogen die Menschen in die Vorstädte. Die Favelas Mare und Rocinha sind heutzutage mit 150.000 Einwohner die größten. Da die Anwohner keine Steuern zahlen, fehlt es an sanitären Einrichtungen, Elektrizität und öffentlichen Diensten. Außerdem bereiten die Unterentwicklung, fehlende Bildung und Klassenunterschiede mächtige Probleme.

Wenn sich ein Favela-Bewohner mit seiner Adresse – falls es überhaupt einen Postdienst gibt – bewirbt, sind die Chancen für einen Job sehr gering. Wenn die Jugendlichen auf eine öffentliche Schule gehen, sinken ihre Chancen studieren zu gehen gegen Null. Selbst mit einem gelungenem College-Test, haben sie so gut wie keine Möglichkeit auf eine weiterführende Schule zu kommen. So müssen sich die Bewohner auf eine andere Weise ihren Unterhalt sichern: Sie verkaufen an den Stränden Kokosnüsse, gebrannte CDs, Turnschuhe oder bieten inoffizielle Dienstleistungen an.

Eine weitere Option an Geld zu kommen ist sich einem Drogenkartell anzuschließen. Und so steigt die Kriminalitätsrate in die Höhe. Die Drogenbarone Lateinamerikas kontrollieren so gut wie jede Favela. Die Kartelle sind allerdings ständig im Krieg mit anderen Banden oder der Polizei. So werden die Favelas zum Austragungsort von brutalen Auseinandersetzungen. Nicht selten schreitet die Polizei oder das Militär mit Kriegsmaschinerie ein. Es werden etwa 1000 Schusswechsel im Jahr gemeldet. Dabei sterben 5000 Personen im Jahr. Bei 645 Toten waren die Schützen Polizisten. Aber auch auf Seiten der Polizei sterben im Jahr etwa 60 Bedienstete.

Rios Polizisten werden schlecht bezahlt. Außerdem leben viele von ihnen selbst in den Favelas und sind nicht selten korrupt. Bei ihren Einsätzen gehen sie oft sehr brutal vor. Fälle von Folter, öffentlichen Hinrichtungen und Vergewaltigungen sind belegt. Es gibt sogar Handyfilme, die beweisen, dass Polizisten die Tatwaffen in die Hände von Erschossenen gelegt und ihnen Drogenpäckchen zugesteckt haben. Wer nun meint, sie haben wahrscheinlich nur Kriminelle erschossen, hat damit unrecht. Todesopfer sind oft auch unschuldige Kinder.

Aber von diesem Drogenkrieg auf den Hügeln von Rio de Janeiro bekommt die Außenwelt so gut wie nichts mit. Nur selten erscheinen Zeitungsberichte über diese Thematik. Olympia-Touristen fahren an den Viertel einfach vorbei, ohne ihre Existenz zu registrieren. Man sieht die fensterlosen Häuser aus rohem Backstein gar nicht. Denn die Stadtverwaltung hat auf der Stadtautobahn haushohe Sichtblenden mit bunten Olympia Motiven aufstellen lassen.

So werden die Favela-Bewohner, „preto“ (schwarz) genannt, einfach vergessen. So erscheint es zumindest angesichts dieser Fakten. Immerhin gibt es mittlerweile Projekte wie das „Favela-Bairro-Projekt“, das den Grundbaustein zur Verbesserung der sanitären Grundversorgung, Freizeiteinrichtungen, Gesundheitszentren, Schulen, Kindergärten und Gemeindezentren legt.

Bis zu einer Entschärfung der Gesamtsituation ist es allerdings noch ein sehr langer Weg. Und solange die Leute in den armen Vierteln davon überzeugt sind, nicht die Vertreter der Staatsgewalt hätten das größte Herz für ihre Kinder, sondern die Banditen aus der Nachbarschaft, ist das Problem noch lange nicht gelöst.

 

Favelas – Die Armenviertel von Rio 

Rio de Janeiro: Die geteilte Stadt

 

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