Es ist weg. Von der Regierung abgeschaltet. Um die Bevölkerung einzuschüchtern. Um Macht zu wahren. Das Internet ist weg. Shutdown. Für uns eine undenkbare Vorstellung. Ein Leben ohne Internet? Ohne die ständige Möglichkeit zu googeln, Mails zu schreiben, Meetings mit Leuten aus aller Welt zu führen. Unvorstellbar. Unser Leben würde von einer Sekunde auf die Andere radikal komplizierter werden. Aber für Menschen in Afrika? Welche Probleme sollten die denn mit einem Internet-Shutdown haben? Und was ist das überhaupt?
Ein Internet-Shutdown ist eine vorsätzliche Störung des Internets aus unterschiedlichen Gründen, zum Beispiel der Einschränkung von Vermittlung gefährlicher Inhalte oder zum Schutz der allgemeinen Sicherheit. Das Internet wird den Bürgern verweigert. Die allgemeine Sicherheit ist doch eine gute Sache, wieso also sind diese Shutdowns jedes Mal so ein Skandal? Welche Probleme treten bei so einem Shutdown in Afrika auf?
Unsere Vorstellung von einem unentwickeltem Afrika, in dem alle in ihren Lehmhütten hausen, draußen frei Ziegen, Schafe und Kühe herumlaufen und einer fehlenden Digitalisierung und Modernisierung ist längst überholt. Es gibt zwar diese Teile Afrikas, in denen unsere Klischees durchaus zutreffen, aber auch in Afrika ist das Internet längst angekommen. Mittlerweile hat Afrika als gesamter Kontinent auch seine eigene Domain, davor gab es diese „nur“ für die einzelnen Länder. Der Zugriff zum Internet stellt für Afrika eine große Chance dar. Die Bildung wird einfacher, es entstehen neue Job-Möglichkeiten und Afrika wird der Zugang zu den großen Weltmärkten eröffnet. Seit 2007 gibt es in Teilen von Afrika das Bezahlungssystem „M-Pesa“, damit wird Leuten ein digitales Bankkonto geboten, dass der Großteil der Bevölkerung so auch nutzt. Damit sind sie den europäischen Staaten weit voraus. Die Funktionsweise ist simpel. Man lädt Guthaben auf sein Smartphone und kann damit Rechnungen zahlen, überweisen und Bargeld auszahlen lassen. Auch im sozialen Bereich bewirkt das Internet wahre Wunder. Es können Demonstrationen, Veranstaltungen über mehrere Städte und Länder organisiert werden, die Vernetzung fällt leichter. Journalisten können das Internet zur Aufklärung benutzen, neues Wissen verbreitet sich schneller. Die Bevölkerung kann anfangen sich weiterzubilden, eine Meinung zu bilden, dafür einstehen und verbreiten. Genau da liegt der Knackpunkt.
Ein paar Länder in Afrika stellen Diktaturen dar (siehe Wie viele Diktaturen gibt es noch?) in denen die Freiheiten, die in Deutschland im Grundgesetz verankert sind, zum Beispiel Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und das Demonstrationsrecht, eingeschränkt bis zu gar nicht vorhanden sind. Dabei sollte man auch hier auf das Vermeiden der Verallgemeinerung achten. Es gibt durchaus auch demokratische Länder, die ebenfalls für diese Freiheit stehen. Das Internet ist in diesem Sinne eine enorme Bedrohung für die Macht der Diktatoren, denn es fördert Vernetzung, Bildung und die Meinungsbildung. In der unteren Statistik werden die offiziellen Gründe, die von der Regierung bekannt gegeben werden, in Kontrast gestellt mit den Gründen, die höchstwahrscheinlich wirklich dahinter stecken. So ist zum Beispiel allgemeine Sicherheit eine beliebte Begründung, dabei geht es meist darum Proteste und Demonstrationen zu verhindern, vor den Wahlen andere Einflüsse einzuschränken und die Macht des Regime zu wahren. Die Regierung kappt das Internet um Stärke zu präsentieren und aus Angst ihre Macht zu verlieren. Mit verheerenden Folgen.
Diese Folgen werden in der Reportage Shutdown – Wenn die Regierung plötzlich das Internet abschaltet von Y-Kollektiv beleuchtet, die dafür selbst nach Togo reisen um die Umstände live vor Ort zu erleben. Dabei stellten auch sie den Konflikt zwischen unserer Denkweise über Afrika und den tatsächlichen Fakten dar. So steht bei einem Internet-Shutdown gefühlt alles still. Der Wocheneinkauf kann nicht stattfinden. Die Doktorarbeit nicht rechtzeitig eingereicht werden. Der Kontakt mit deiner Tochter geht verloren. Banale Beispiele, doch genauso sieht die Welt in Afrika ohne Internet aus. Ohne Internet haben die meisten Afrikaner keinen Zugriff auf ihr Geld. Kein Geld bedeutet fehlende Lebensmittel, fehlende Medikamente oder Ressourcen. Bei einer wirklichen Gefahr steht der Kontakt zu Verwandten und Freunden still. Viele Jobs können innerhalb dieser Tage nicht ausgeführt werden. All das durch Regierungen, die nicht wissen wie sie auf Proteste reagieren sollen und nur auf die eigene Machtsicherung fokussiert ist. Diese Unterdrückung von anderen Meinungen und Kritik, die durch das Abschalten vom Internet und dem dadurch verursachten Informationsmangel und der fehlenden Transparenz gewährleistet wird, ist der Grund warum ein Internet-Shutdown eine Menschenrechtsverletzung ist. Der UN-Menschenrechtsrat hat beschlossen: Das Internet ist ein Menschenrecht!
In Afrika ermöglicht es die Freiheiten, die wir schon so lange kennen, die für uns so normal sind. Sich weiterbilden, eine Meinung bilden, dafür demonstrieren, protestieren und etwas erreichen. Veränderungen, sei es nur im kleinen Rahmen. Das Internet gibt Afrikanern eine Stimme. Eine laute und kräftige Stimme, deren Schall nicht von Shutdowns gebremst werden sollte. Sie sollte gehört werden. Von uns und von der Regierung vor Ort. Mit der Anerkennung des Internets als Menschenrecht ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Der Rest liegt an uns! Erheben wir die Stimme oder senken wir sie? Akzeptieren wir die Stimme oder versuchen wir sie zu unterdrücken? Ignorieren oder hinhören?