„Das politische Konzept der Nachhaltigkeit ist fortschrittsfeindlich und undemokratisch.“
so äußert sich Matthias Heitmann in seinem Artikel bei dem Politikmagazin Cicero. Wen nicht schon die Überschrift stutzig macht, wird spätestens bei dieser Aussage zweimal lesen wollen.
Bereits zu Anfang widerspricht Heitmanns Argumentation sich selbst. Er erklärt die Herkunft des Wortes Nachhaltigkeit: Ziel war es früher in der Forstwirtschaft, nicht mehr Bäume eines Waldes abzuholzen, als dass neue nachgepflanzt werden können. Nachhaltigkeit stellte sich also als ein sehr weitreichendes und zukunftssicherndes Konzept heraus; dem stimmt auch Heitmann zu.
Auch der weitere Verlauf der Argumentation stellt sich für mich als weniger schlüssig heraus. Besonders folgendes Zitat ist meines Erachtens nach, weder belegbar noch gut recherchiert:
„Tatsache ist: Die Menschheit ernährt sich mittlerweile selbst. Die überwiegende Mehrheit der zum Leben benötigten Dinge entstammt nicht der Natur, sondern ist Produkt der menschlichen Kultur. Unsere wichtigste Ressource ist keineswegs ein materieller Rohstoff, sondern unsere Kreativität. Und diese wächst nicht dadurch, dass man sie nicht nutzt.“
Heitmann behauptet also, dass lebenswichtige Ressourcen wie Nahrung nicht aus materiellem Rohstoff der Natur hervorgehen, sondern aus der menschlichen Kreativität. Diese Aussage halte ich für unzureichend begründet und somit in diesem Kontext schlichtweg falsch: Wie überlebt ein Mensch ohne die Natur und nur durch Kreativität, indem er sich selbst ernährt? Unsere Nahrung kommt nun mal aus der Natur. Fisch, Fleisch und Gemüse können wir uns nicht ausdenken oder im Labor künstlich herstellen.
Auch im Weiteren bleibt die Argumentation des Autors unbegründet und schlecht recherchiert:
„Die zentralen gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahrzehnte drehen sich fast ausschließlich um Zukunftsängste und die aus ihnen geborenen Alternativstrategien zur Verhinderung der scheinbar unabwendbaren Apokalypse“
Diese Zukunftsängste, die von Heitmann verurteilt werden, sind jedoch meiner Meinung nach berechtigt. Der Klimawandel ist Tatsache und kein Hirngespinst. Seine Folgen führend womöglich nicht zur Apokalypse, jedoch werden sie im Leben jedes Individuums starke Auswirkungen hervorrufen; dies haben Forschungen bewiesen und bereits heute sind Auswirkungen der globalen Erwärmung nachweisbar. Allein der Blick auf Statistiken machen einem dies schnell klar. Der Autor scheint darüber jedoch wenig informiert oder schlichtweg uninteressiert, obwohl dieses Wissen für seine Argumentation ausschlaggebend wäre.
„Global Temperature Anomaly“ by NASA Goddard Institute for Space Studies – http://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs/. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons.
Eine weitere Textstelle, die sehr kritisch betrachtet werden sollte, ist Folgende:
„Heute ist es nicht mehr die katholische Kirche, sondern die Nachhaltigkeitsreligion, die die Menschen dazu zwingt, sich von hohen Erwartungen an die Zukunft zu verabschieden. So hinterlässt sie den nachkommenden Generationen eine Welt, die weit unter ihren Möglichkeiten bleibt und in der die Menschen lernen, sich mit Problemen und Grenzen abzufinden, anstatt sie endlich zu überwinden.“
Skeptisch wurde ich sofort bei dem Wort „Nachhaltigkeitsreligion“. Der Religionsbegriff wird definiert als “ Glaube an einen Gott oder an mehrere Götter und die damit verbundene Praxis in Kult und Lebensformen“; wie kann man also die Verwendung des Wortes Nachhaltigkeit als Religion rechtfertigen? Meiner Meinung nach ist diese Aussage eher unangebracht im Kontext der Thematik.
Eine These, die den gesamten Artikel durchzieht, ist die Annahme, dass das Konzept der Nachhaltigkeit entgegen dem menschlichen Fortschritt wirkt. Dieser Behauptung kann ich mich nicht anschließen. Inwiefern sollte uns die Eindämmung der globalen Erwärmung oder der Kampf gegen die Armut davon abhalten, neue Technologien zu entwickeln und die Menschheit weiterzubringen? Meiner Meinung nach sind es gerade diese Faktoren, die beseitigt werden müssen, um den menschlichen Fortschritt voranzutreiben. Demnach sehe ich auch diese These als nicht gerechtfertigt und unzureichend begründet an.
Schlussendlich wird immer wieder klar, wie kritisch man den Meinungen und Aussagen anderer entgegentreten sollte. Nicht jeder hat bei der Verbreitung von Informationen gute Absichten; diese Informationen müssen dabei nicht einmal der Wahrheit entsprechen. Deshalb sollte man alles was man ließt, hört oder sieht kritisch hinterfragen und feststellen ob es dem eigenen Wissen entspricht. Auf dieser Grundlage sollte aufgebaut und weitergehend gehandelt werden.