„Nie stehen bleiben, immer weitermachen.“ – Interview mit „Waschbär“

Mode veranschaulicht wie kaum ein anderer Bereich die Schnelllebigkeit unserer modernen Gesellschaft. Kleidung, die nach einem Jahr zwar noch gut in Schuss ist, modisch aber gar nicht mehr passt, wird nicht mehr angezogen und verschwindet in den Tiefen unseres Kleiderschranks. Die Frage nach der Nachhaltigkeit dieses Umgangs mit Kleidung, der mittlerweile wohl tatsächlich als Normalität angesehen werden kann, lässt sich leicht beantworten, erübrigt sich fast sogar. Doch neue Kleidung kaufen kostet Geld und wenn das jede Saison neu geschehen muss, darf die Ware nicht allzu teuer sein, da sich eine eher breite Bevölkerungsschicht diesen „Luxus“ leisten können soll  – ein Trend kann schließlich nur einer werden, wenn er von einer größeren Menge an Menschen verfolgt wird. Mit dieser Idee von schnelllebigen Trends und den niedrigen Preisen wuchsen Weltunternehmen wie H&M empor und dominieren heute den Weltmarkt. In Europa funktioniert die Idee, doch die Leidtragenden sind Menschen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen für das 5€ T-Shirt schufften müssen und die Umwelt, die durch den fahrlässigen Umgang mit Giftstoffen, Chemikalien und Abgasen beschädigt wird.


 

gray-306733_1280Unternehmen wie Waschbär verfolgen daher ein völlig anderes Unternehmenskonzept bezüglich Mode, das wirtschaftlich weniger erfolgreich ist, moralisch jedoch ein starken Kontrast zu anderen Unternehmen bildet: Nachhaltig und fair hergestellte Kleidung, die auch für den Kunden gesundheitlich unbedenklich sein soll. Waschbär wurde 1987 gegründet und war damals eines der ersten Unternehmen, die mit der beschrieben Ideologie auf den Markt kamen. Es ist mit 7000 Produkten das größte Versandhaus von Umweltprodukten in Deutschland und gehört zu der Triaz Group, zu der weitere Unternehmen wie Vivandia und Parkhaus gehören. Soziale Verantwortung und der Umgang mit der Natur sind die Kernpunkte der Unternehmensideologie. Werte und Standards werden durch Partnerschaften mit der Fair Wear Foundation kontrolliert und garantiert, des Weiteren engagiert sich das Unternehmen auch in Bereichen wie dem Klimawandel oder Gentechnik, die nichts direkt mit Mode oder Textilien zu tun haben.

Im Rahmen unseres Seminarkurses „Nachhaltigkeit“ entschieden wir uns (pau.he, ja.fan und ich), ein Interview mit Waschbär zu führen, um Genaueres über die Gestaltung und Umsetzung des Unternehmenskonzepts zu erfahren, das sich schließlich sehr von anderen, gängigen Modellen in der Modebranche unterscheidet. Die folgenden Informationen stammen aus dem Interview, das wir am 24.03.16 mit Frau Engel führten. Sie ist eine von fünf Beauftragten der Triaz Group für die Kommunikation rund um das Thema Nachhaltigkeit.

Bereits im Warteraum saßen wir vor einer Wand voller Auszeichnungen der Triaz Group, die vor allem die Marke Waschbär für nachhaltiges Wirtschaften loben. Tatsächlich ist Waschbär von den fünf Marken unter dem Dach der Triaz Group die wichtigste: Bei der Gründung der Gruppe bildete Waschbär den Grundbaustein und erwirtschaftete 2014 69% des Gesamtumsatzes. Die Triaz Group zählt 343 Mitarbeiter und erzielte 2014 einen Umsatz von 75 Mio. €. Der Anteil des Umsatz verteilt sich auf die vier Märkte, in denen die Triaz Group tätig ist, wie folgt:

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Kunden bei Waschbär sind vor allem Frauen über 45, welche dementsprechend auch die Zielgruppe der Kleidung von Waschbär ist. Jugendliche seien mit nachhaltiger Mode und hohen Preisen kaum zu erreichen. Zum Vergleich bezüglich der Preise: Ein Basic, das bei ähnlichem Aussehen bei H&M rund 5€ kostet, kostet bei Waschbär rund 20€ – Das sind immerhin 300% mehr. Natürlich könnte man die Preise jedoch – zumindest etwas – niedriger gestalten, wenn eine höhere Nachfrage gäbe, da Großkonzerne vor allem von den Mengenrabatten stark profitieren würden.

Nachhaltigkeit im Unternehmen

Herstellung der Produkte

Die Produktion der Produkte erfolgt in verschiedenen Bereichen der Welt. Da durch die Globalisierung und die dominierende Rolle der kostensparenden Aufträge von Unternehmen wie H&M die Textilindustrie in Deutschland nahezu ausgestorben ist und in Europa allgemein stark zurückgegangen ist, wird hier nur ein Teil der Ware hergestellt. Daher wird die Kleidung von Waschbär auch in der Türkei, Indien und China produziert. In Bangladesch wird nicht produziert, Frau Engel betont jedoch, dass eine Produktion der Textilien hier durchaus möglich wäre und bei größeren Unternehmen, die nachhaltig und fair produzieren, auch wünschenswert ist. Somit könnte auch Waschbär als größeres Unternehmen dort produzieren. Da Bangladeschs Wirtschaft stark von der Textilindustrie abhängig ist, wäre langfristig keinem daran gutgetan, wenn wegen Korruption und oftmals schlechten Arbeitsbedingungen alle Auftraggeber von nun an Bangladesch meiden würden. Frau Engel sieht hier sogar die Chance ein Land langfristig und nachhaltig wirtschaftlich zu stärken – wichtig dabei ist natürlich, dass dabei auch Arbeitsbedingungen etc. fair und nachhaltig werden. Dass dies möglich ist, zeigt die Produktion von Waschbär in China und Indien: Auch hier gelten die Arbeitsbedingungen und der Umgang mit der Natur teils nicht als befriedigend, doch durch Kontrollen und hohe Standards konnte man hier einen absolut befriedigenden Status erreichen. Durch die wichtige Partnerschaft mit der Fair Wear Foundation erfolgt die Überprüfung eines Acht-Punkte-Plans, der folgende Merkmale fair hergestellter Ware garantiert:

  1. Der Arbeitsplatz muss gesundheitlich unbedenklich sein (keine ungeschützte Konfrontation mit Giftstoffen etc.).
  2. Es darf keine Kinderarbeit zur Herstellung des Produkts geben.
  3. Es müssen gerechte Löhne gezahlt werden. Diese liegen oftmals über den Mindestlöhnen der jeweiligen Länder, da diese für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreichen.
  4. Am Arbeitsplatz darf keine Diskriminierung herrschen.
  5. Es muss ein freiwilliges Arbeitsverhältnis herrschen (keine moderne Sklaverei).
  6. Die Arbeiter müssen in einem Vertragsverhältnis stehen, um Sicherheit bezüglich ihres Jobs zu haben.
  7. Es dürfen nicht zu viele Überstunden gemacht werden.
  8. Es muss einen Betriebsrat geben.

Frau Engel und Waschbär legen insgesamt sehr viel Wert darauf ihre Lieferanten zu kennen und zu diesen in regelmäßigem Kontakt zu stehen – auch durch persönliche Besuche und Besichtigung der Fabriken. Grundlegend für eine nachhaltige Entwicklung der Herstellungsländer ist auch der Umgang mit Verstößen bezüglich der oben genannten Punkte. Sollte beispielsweise Kinderarbeit in einer der Fabriken festgestellt werden, sei die Reaktion, an die man wohl zunächst denk – die Arbeit mit dem Produzenten zu kündigen – die falsche. Beendigt man die Zusammenarbeit mit dem Produzenten, hat dieser eigentlich keinen Grund mehr die Kinderarbeit einzustellen, wodurch diese weiter existiert, was nicht Ziel eines Unternehmens wie Waschbär sein kann, dass sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt. Zu Fairness und Nachhaltigkeit gehöre es auch, das zu überschauen, was einen nicht direkt betrifft und sich notfalls dafür beziehungsweise dagegen einzusetzen. Produzenten bekommen in Fällen wie diesem also eine zweite Chance, worauf anschließend strengere Kontrollen folgen.

Bei der Produktion wird soweit wie möglich auch stets auf die Schonung der Umwelt geachtet. Dies sei in unentwickelteren Ländern jedoch schwieriger, als in Europa. Die Triaz Group engagiert sich diesbezüglich auch in der Thematik des Klimawandels.

Interessant ist, dass sich für die Kunden seit dem Einsturz der Rana Plaza in Bangladesch die Wichtigkeit der Faktoren bei der Herstellung der nachhaltigen Kleidung geändert habe. Waren früher wohl die ökologischen Faktoren, wie Umweltverschmutzung am wichtigsten, liegt das Aufsehen nun vor allem bei den sozialen Faktoren wie Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Durch diese neue Wichtigkeit habe sich bei diesen Baustellen anscheinend tatsächlich auch etwas getan – zwar nicht viel, aber langsam ginge es voran.

Qualität der Produkte

Durch die faire Herstellung befinden sich in den Produkten keine gesundheitsschädlichen Stoffe. Selbstverständlich kann nicht jedes später verkaufte Stück auf eben jene Stoffe geprüft werden, doch am Anfang jeder Saison wird die neue Kollektion – jedes Kleidungsstück in jeder Farbe – in teuren Testen untersucht. Schlechten Ergebnissen wird natürlich nachgegangen. Durch die Qualität der Produkte ist dem Geschäftskonzept von Unternehmen wie Waschbär jedoch eine Grenze gesetzt: Da nur 1% der gesamten Baumwolle, die angepflanzt wird, Bio-Baumwolle ist, wäre aufgrund der Knappheit dieses Rohstoffs einem Unternehmen wie Waschbär nicht möglich großen Wachstum anzustreben. Ebenso wäre es H&M nicht möglich, wenn man das Geschäftsmodell erkannt hätte, plötzlich in dieser Hinsicht nachhaltig zu arbeiten. Frau Engel kritisiert hierbei auch den fehlenden Lobbyismus für nachhaltige Mode und Qualität. Viele Leute seien sich über die schlechte Qualität und unbefriedigende Arbeitsbedingungen bei H&M bewusst, würden aber dennoch dort einkaufen. Dass schlechte Qualität mitsamt von schädlichen Chemikalien in der Kleidung auch in den eigenen Organismus aufgenommen werden können, scheint vielen jedoch nicht bewusst zu sein.


 

Fazit

Waschbär schaffte es mit einem neuen Geschäftsmodell sich in Deutschland zu etablieren. Das Unternehmen bietet Menschen eine Alternative zu der schnelllebigen Mode an, indem es faires Wirtschaften verspricht und soweit das einsehbar ist, auch einhält. Sicher ist dieses Konzept nicht mit dem Bedürfnis der breiten Masse bezüglich Mode vereinbar, worüber sich Waschbär auch bewusst ist. Dennoch ebnet das Unternehmen als Pionier einen Weg vor, der mit der Zeit zumindest teilweise auch von größeren Unternehmen begangen werden kann. Außerdem hilft das Vorgehen des Unternehmens eine starke und faire Wirtschaft in Ländern zu etablieren, die momentan noch von Korruption und Ausbeutung geprägt sind. Die Philosophie von Waschbär wird insgesamt mehr aus Prinzip und der Überzeugung ,das Richtige zu tun, verfolgt, als aus wirtschaftlichen und gewinnmaximierenden Gründen, was ich persönlich – völlig unabhängig vom tatsächlichen Erfolg des Unternehmens – sehr beeindruckend finde. Das Interview bestätigte unser Bild von einem Unternehmen, was seine Aussichten auf Erfolg realistisch sieht, aber entscheidend gegen den Strom schwimmt und mit Fairness in der Textilindustrie einen Unterschied macht und etwas bewegt – wie groß dieses „Bewegte“ am Ende sein wird, das ist nicht sicher, aber auch nicht von höchster Bedeutung – Für Frau Engel und Waschbär zählt vor allem eins:

Nie stehen bleiben. Immer weitermachen.

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