Es sollte wohl eine einmalige Erfahrung werden: Paul Schäfer organisierte 1961 eine vermeintliche Chorfreizeit für Jugendliche in Chile. Doch die Minderjährigen, deren Eltern ihr Einverständnis für die Freizeit gaben, sollten ihre Heimat für lange Zeit nicht mehr sehen. Jegliche Bemühung der Eltern, ihre geliebten Kinder zurück zu holen, war vergeblich.
Paul Schäfer, ein ehemaliger evangelischer Jugendpfleger, gründete 1956 gemeinsam mit dem ausgeschlossenem Priester Hugo Baar ein Erziehungsheim für Kinder von Gruppenmitgliedern. Zuvor hatte sich Schäfer von einer freien christlichen Gemeinde getrennt. Immer mehr ehemalige Mitglieder schlossen sich Paul Schäfers`Privatsekte an. Seine Mitglieder band Paul Schäfer durch das Unterschreiben von Beichten, die er als Druck- oder Erpressungsmittel nutzte, an sich.
Doch lange blieb Paul Schäfers pädophile Neigung gegenüber Jungen nicht verborgen: 1961 wurde er wegen Vergewaltigung zweier Jungen angezeigt. Daraufhin floh er mit 150 Mitgliedern und den entführten Minderjährigen zur „Chorfreizeit“ nach Chile.
In Chile gründete er das streng abgeschottete Siedlungsareal ( 300 Quadratkilometer)- die Colonia Dignidad oder „Die Kolonie der Würde“. Für Paul Schäfer diente sie vor allem der Befriedigung seiner pädophilen Neigung, was auch schnell in Chile bekannt wurde: Dem damals 20- jährigen Wolfgang Knees gelang 1966 die Flucht aus dem Folterzentrum. Hilfesuchend wandte er sich an die deutsche Botschaft in Chile und erzählte von den Akten der Misshandlung. Doch die Diplomaten unternahmen nichts- Paul Schäfer konnte ungehindert seine grauenvollen Taten fortsetzten, was wahrscheinlich für viele unvorstellbar erscheint.
Weitere geflüchtete Bewohner berichteten davon, dass der chilenische Geheimdienst die Siedlung als Folterzentrum für Häftlinge während der Pinchet Diktatur nutzte. Auch Liebe und Zuneigung unter den Bewohnern war strengstens untersagt- wurde man doch erwischt, wurden die Bewohner mit Gewalt und Elektroschocks bestraft, was zu Gedächtnisverlust führte. Der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen, auch in Gemeinschaft, sowie Misshandlung, stand an der Tagesordnung. Viele überlebten die Akte der Gewalt nicht.
Rund 25 Jahre konnte Paul Schäfer mit seinem System der Angst, Gewalt und totale Kontrolle durchkommen, was er mit Hilfe des Auswärtigen Amtes in Bonn und der Botschaft in Santiago schaffte.
Erst 1987 ging man den kriminellen Machenschaften der Sekte nach, welche bereits seit 1976 unter Beobachtung der UNO und Amnesty International stand.
2004 wurden Paul Schäfer und 22 weitere Mitglieder wegen Missbrauch an 27 Kindern vom chilenischen Gericht für schuldig bekannt. Sie bekamen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und Entschädigungszahlungen.
Zwei Jahre später wurde Schäfer erneut wegen Missbrauch von 25 Kindern zu 20 Jahren verurteilt.
Paul Schäfer starb 2010 im Gefängnis. Doch seine ehemaligen Gefangenen leiden wohl für immer an den grausamen Taten, die ihnen angetan wurden.
Quellen:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-144989300.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Colonia_Dignidad