Die soziale Ungleichheit in Südamerika
Müllberge auf Straßen, Menschen, die in provisorischen Hütten leben, die kaum was zu essen haben und jeden Tag um das Überleben kämpfen. Kinder, die barfuß in Müll spielen und erschreckend unterernährt sind.
Wer denkt dabei an den sonnigen Kontinent Südamerika? Für viele Menschen ist das Bild des Kontinentes geprägt von wunderschönen Bildern einer faszinierenden Natur und einer unvergleichlichen Kultur. Besonders junge Menschen denken bei Südamerika an Backpacker-Abenteuer und traumhafte Urlaube und nicht an Menschen, die ums Überleben kämpfen, während die reiche Bevölkerung ihre Kinder in Luxusautos zur Schule fahren – natürlich nicht selbst, das übernimmt der private Chauffeur.
Nirgends auf der Welt gibt es eine größere soziale Ungleichheit als in Südamerika: Die reiche Oberschicht lebt in einer eigenen Welt, abgeschottet und isoliert von der armen Unterschicht. Die „Barrios“ der Reichen sind durch hohe und stacheldrahtbesetzte Mauern von der knallharten Realität abgegrenzt. Wer hinein möchte, muss bewaffnete Wachleute passieren. Einzig die Hausmädchen, die „Mucama“, bekommen einen Einblick in das glanzvolle Leben der Reichen. Das Hausmädchen putzt und erzieht die Kinder für einen Lohn, der meist unter dem offizilen Mindestlohn liegt und kaum ein Bruchteil des Einkommens der Arbeitgeber ausmacht. Wer sich einmal den Bauplan eines teuren Hauses in Südamerika angeschaut hat, dem wird auffallen, dass es in jedem dieser Häuser ein kleines Kämmerchen gibt. Nicht etwa als Abstellkammer, sondern als Zimmer für die „Mucama“, welche bei ihrem Arbeitgeber lebt. Während sich Frauen mit solchen Jobs über Wasser halten, müssen Männer ihr Einkommen durch Gelegenheitsjobs sichern.
Doch weshalb hat die Unterschicht keine Chance aufzusteigen, wenn die staatlichen Schulen doch ohne Gebühren besucht werden können? Einer der Gründe ist einfach: Das Bildungsniveau der öffentlichen Schulen ist zu schlecht, um an einer Universität angenommen zu werden. Der reiche Oberschichtenschüler geht meistens nach dem Abschluss der Privatschule in eine gute Universität in den USA. Somit werden diese Schüler später einmal gute Chancen auf einen gut bezahlten Job in Südamerika haben, denn Menschen mit dem nötigen Bildungsniveau gibt es nicht viele. So ist es nicht verwunderlich, dass die Oberschicht, welche die oberen 10% der Einkommensskala ausmacht, 19-mal so viel verdient wie die unteren 40% der Einkommensskala.
Doch trotz ihreres hohen Einkommens, was rund 39% des Gesamteinkommens in Südamerika ausmacht, ist die Oberschicht kein wichtiger Steuerzahler: Weniger als zehn Prozent des Einkommens wird versteuert. Die Steuerhinterziehung der Wohlhabenden in Südamerika ist genauso selbstverständlich wie das Bier und die Lederhose beim Oktoberfest in München.
Doch nicht nur die Steuerhinterziehung ist ein Problem, das gesamte Steuersystem ist schlecht strukturiert : 70% der Steuern wird durch die Mehrwertsteuer erhoben und nur 4,5% der Steuern werden direkt eingenommen.
Südamerika ist ein Kontinent, auf dem zwei Lebenswelten dicht beieinander wohnen, doch völlig isoliert voneinander leben. Jeder lebt in seiner eigenen Welt- die Reichen blenden die schlimme Lage der armen Bevölkerung aus und zeigen wenig Spendenbereitschaft. Weshalb schafft es Südamerika nicht, die Bevölkerung nach dem Beispiel von Osteuropa oder Ostasien zu reformieren? Theoretisch kennt jeder Bürger in Südamerika die Antwort: Die Unterschicht braucht Zugang zu einer guten Schulbildung und einer guten Gesundheitsversorgung. Bis das einmal umgesetzt wird, muss die Oberschicht und die Regierung noch einiges lernen.
Bis dahin bleibt Südamerika wohl der Kontinent der sozialen Ungleichheit.
Quellen:
http://www.handelsblatt.com/politik/international/suedamerika-kontinent-der-ungleichheit/2830310.html
Nikolaus Werz: Einheit und Vielfalt Lateinamerikas aus Hans Georg Lambertz: Lateinamerika verstehen lernen Zwölf Bausteine für Unterricht und Projektarbeit